Für die Union ist es das bisher schlechteste Bundestagswahlergebnis. Nachwahlbefragungen zeigen, dass die Wählerinnen und Wähler der CDU und CSU nicht mehr zutrauen, dieses Land gut regieren zu können. Die Kompetenzverluste sind erheblich. So sinkt die Wirtschaftskompetenz der Union um dramatische 25 Prozentpunkte. Das Zutrauen in eine gute Außenpolitik gibt um 17 Prozent nach. Selbst in den ursprünglichen konservativen Kernkompetenzfeldern Kriminalitätsbekämpfung und der Asyl- und Flüchtlingspolitik gibt es schlechte Noten.

Auch Kanzlerkandidat Armin Laschet wurde zur Bürde im CDU-Wahlkampf. Nur 27 Prozent sehen ihn dem Amt eines Bundeskanzlers gewachsen. 86 Prozent der ehemaligen Unions-Wählenden stimmten der Aussage "Mir wäre ein anderer Kanzlerkandidat als Armin Laschet lieber gewesen" zu. Seine Zustimmung als Kandidat fiel weit hinter die Werte von Angela Merkel in den vergangenen Wahlen zurück.

Union verliert ihre Bastion 60plus

Ganz anders schaut es bei den Sozialdemokraten aus, die sich von ihrem Tiefpunkt im Jahr 2017 erholen konnten. Dort wurde Kanzlerkandidat Olaf Scholz zum Trumpf. 66 Prozent der Befragten trauen ihm das höchste Regierungsamt zu. Vor allem ein Teil der hinzugewonnenen SPD-Wählerinnen und -Wähler gibt ihn als wichtigstes Wahlmotiv an.

Interessant ist, dass die Umfragen für die Sozialdemokraten trotz der Stimmenzuwächse nur unauffällige Kompetenzgewinne verzeichnen. Die für die Scholz-Partei wichtigen Kompetenzwerte bei "angemessenen Löhnen" und der sozialen Gerechtigkeit steigen um drei und zwei Punkte. In der Familienpolitik hingegen sinkt der Kompetenzwert um sechs Punkte auf 32 Prozent. Die Partei von Olaf Scholz punktet überraschend stärker bei den über 60-Jährigen. Hier haben sie traditionelle Wählerinnen und Wähler der Union abwerben können, für die vor allem soziale Fragen wie sichere Renten wichtig sind.

Dieser SPD-Erfolg in der Generation 60plus ist bemerkenswert: Mit 35 Prozent (plus elf) liegt sie hier mit der Union (34 Prozent; minus sieben) auf Augenhöhe – in einer hoch relevanten Gruppe, die für die Union langjähriger Erfolgsgarant war. Stärkste Kraft bei den unter 30-Jährigen sind die Grünen (22 Prozent).

Trotz der hohen Umfragewerte zu Jahresbeginn mussten die Grünen die Ambitionen aufs Kanzleramt schon in den letzten Wochen des Wahlkampfs aufgeben. Dennoch steigen sie mit dieser Wahl zur drittstärksten politischen Kraft auf. Allerdings hatte die Partei negative Effekte durch die Personalauswahl fürs Kanzleramt. Annalena Baerbock sorgte mit persönlichen Fehlern für einen Fehlstart und Verluste bei der Glaubwürdigkeit. Diese personelle Schwäche bestätigen Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen. Dort gaben 49 Prozent der Befragten an, dass Konkurrent Robert Habeck als grüner Kanzlerkandidat ein besseres Ergebnis für die Grünen eingefahren hätte. Bei Grünen-Anhängern kommen sogar 52 Prozent zu dieser Einschätzung.

82 Prozent der Grünen-Wählenden gaben an, dass "Umwelt und Klima" bei ihrer Wahlentscheidung die größte Rolle gespielt habe. Damit unterscheidet sich die grüne Wählerschaft von den anderen enorm. Insgesamt gaben nur 22 Prozent der Wählenden an, dass dieses Thema für sie das wichtigste bei der eigenen Wahlentscheidung war.

Während Grüne und SPD bei Frauen stärker abschneiden als bei Männern, verläuft der Gender-Gap bei AfD und FDP umgekehrt, bei Union und Linke gibt es hier kaum Differenzen.

AfD im Osten bei unter 60-Jährigen stärkste Kraft

Die AfD erzielt ihre besten Ergebnisse bei den 30- bis unter 60-jährigen Männern, im Osten wird sie bei allen unter 60-jährigen Wählerinnen und Wählern stärkste Kraft.

Bemerkenswert ist, dass die FDP mit den Grünen die meisten Erstwählenden für sich überzeugen konnte (Hinweis: Unsere Grafik zeigt die Berechnung Stand 19 Uhr am Wahlabend. Mit Vorliegen der vorläufigen amtlichen Endergebnisse liegen beide Parteien laut infratest dimap nun gleichauf bei 23 Prozent). Die Liberalen sind besonders stark bei den unter 30-jährigen Männern, bei allen über 60-Jährigen verzeichnet sie Verluste. Die Partei von Christian Lindner bestätigte ihr zweistelliges Ergebnis von 2017 und dürfte in den anstehenden Koalitionsverhandlungen zum Königsmacher werden.

Doch bei den Wählerinnen und Wählern gibt es keine klar favorisierte Koalition. Die sogenannte Ampel (SPD, Grüne und FDP) fänden 28 Prozent der Befragten gut. Eine Jamaika-Koalition (Union, Grüne und FDP) bekommt von allen Optionen mit 33 Prozent die höchste Zustimmung.